Bei beginnendem Schnupfen sollte man nicht zu stark die Nase schnäuzen, sonst kann das infektiöse Sekret in die Nasennebenhöhlen gedrückt werden. / Foto: Adobe Stock/Henning Riediger
«Es gibt nur ganz wenige Menschen, die nie im Leben eine Nasennebenhöhlenentzündung haben», sagt Professor Dr. Martin Wagenmann, Geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Düsseldorf. Unterschieden werden zwei Formen, wie der Experte von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie erklärt: die akute Rhinosinusitis, die bis zu drei Monate dauern kann, und die chronische. Auslöser sind Viren oder seltener Bakterien.
Auch die gesunde Nase produziert Sekret, sonst wäre sie trocken; bei einer Infektion läuft die Produktion auf Hochtouren. Das Sekret läuft den Rachen runter und wird geschluckt. Dort könne die Magensäure den Erregern den Garaus machen, wie Dr. Johannes Wimmer in einem Video der Techniker Krankenkasse erklärt. Beim Naseschnäuzen hingegen könne es passieren, dass der infizierte Schleim auch in die Nebenhöhlen gepresst wird, was wiederum eine Entzündung fördert. Daher sei es zu Beginn einer Erkältung besser, sprichwörtlich die Nase hochzuziehen, so Wimmer. Bei einer richtigen Entzündung aber wird das Sekret laut Wagenmann zähflüssiger, muss durch Schnäuzen umgeleitet werden und den Körper über die Nase verlassen. Darüber hinaus schwellen die Schleimhäute an und die Atmung wird erschwert.
Doch wozu hat sie der Mensch überhaupt, die oft so lästigen Nasennebenhöhlen? «Das weiß niemand so genau, die evolutionäre Funktion ist bis heute unklar», sagt Wagenmann. Eine Theorie handle von Resonanz für eine klangvollere Stimme. Eine andere laute: eingebaute Knautschzone. «Beim Zusammenstoß mit einem Mammut war es besser, das Gesicht wird zusammengedrückt, als dass es zum Schädelbasisbruch kommt.» Geringeres Gewicht könnte demnach ebenfalls eine Rolle spielen: Luft ist leichter als Knochen. Zudem sei in den Nasennebenhöhlen die Konzentration von Stickoxid hoch – und das wirke antibakteriell, so Wagenmann. «Nur eines ist sicher: Mit dem Riechen oder Atmen haben die nichts zu tun», erklärt er. «Die Öffnungen zur Nase sind viel zu klein, als dass das einen Effekt haben könnte.»
Rein anatomisch betrachtet sind Nasennebenhöhlen luftgefüllte Schleimhaut-Aussackungen der Nasenhöhle. Mediziner unterscheiden beim Menschen vier verschiedene: die Kieferhöhle und die Stirnhöhle sowie dazwischen gelegen die Keilbeinhöhle und die Siebbeinzellen. Manche Menschen hätten von Geburt an ein- oder beidseitig keine Stirnhöhlen, sagt Wagenmann. «Das hat keine Nachteile.»
Wer an einer akuten Nasennebenhöhlenentzündung leidet, dem empfiehlt Wagenmann «die guten alten Hausmittel»: Inhalation warmer Dämpfe, Nasenspülungen, pflanzliche Präparate. Abschwellende Nasentropfen linderten zwar die Symptome, beschleunigen aber nicht die Heilung. Eine Therapie mit Antibiotika ist meist nicht sinnvoll. «Mehr als 90 Prozent der Entzündungen sind nicht durch Bakterien verursacht», erläutert Wagenmann. Bei Enzympräparaten hätten Studien sogar negative Ergebnisse gezeigt. Und auch von schleimlösenden Medikamenten hält der Arzt nicht viel.
11 Prozent der Bevölkerung in Europa sind von chronischen Nasennebenhöhlenentzündungen betroffen, so der Fachmann. «Das kann dann die Lebensqualität ähnlich einschränken wie Asthma.» Cortison-Sprays seien vor allem bei chronischer Rhinosinusitis, aber auch bei einer akuten meist das effektivste Medikament, so Wagenmann. Helfe die medikamentöse Behandlung nicht, kann demnach eine Operation sinnvoll sein. Dabei werden die Öffnungen zur Nase erweitert. «Wenn die zu eng sind, kann kein Austausch erfolgen: Die Luft muss rein, das Sekret raus können.» 450.477 Operationen an Nase und Nebenhöhlen weist die Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamts für das vergangene Jahr aus, allein 542 bei Kindern unter einem Jahr.
«Früher wurde zu viel Schleimhaut entfernt. Heute weiß man, dass diese radikalen Operationen meist mehr Schaden anrichten als zu helfen», sagt Wagenmann. Dennoch findet er: «Wahrscheinlich wird zu viel operiert. Das liegt auch am Gesundheitssystem: Operationen sind lukrativ.»